Das Nördliche Breitmaulnashorn
Nur noch zwei leben – und sie können keine Kälber mehr bekommen. Das Schicksal des Nördlichen Breitmaulnashorns ist eine der bewegendsten Geschichten des Artenschutzes.
Einst durchstreifte es die Savannen Afrikas
Das Nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) ist eine Unterart des Breitmaulnashorns. Früher lebte es in weiten Teilen Zentral- und Ostafrikas, vor allem in Uganda, Südsudan, Tschad und der Demokratischen Republik Kongo.
Mit seinem breiten, quadratischen Maul ist es perfekt an das Abweiden von Gras angepasst. Erwachsene Tiere können bis zu 2,4 Tonnen wiegen – und trotz ihrer Größe eine Geschwindigkeit von 40 km/h erreichen.
Wie die Wilderei fast alles zerstörte
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts begann der rapide Rückgang. Grund: Wilderei, angetrieben durch die enorme Nachfrage nach Nashornhorn. In einigen Teilen Asiens gilt es fälschlicherweise als Heilmittel oder als Symbol für Reichtum und Macht.
Das Horn besteht jedoch aus Keratin – demselben Material wie Fingernägel – und hat keinerlei medizinische Wirkung.
In den 1990er Jahren verschwanden die letzten wildlebenden Nördlichen Breitmaulnashörner. Zu spät eingeleitete Schutzmaßnahmen konnten das Aussterben in freier Wildbahn nicht verhindern.
Najin, Fatu und Sudan – Die letzten ihrer Art
Heute gibt es nur noch zwei lebende Nördliche Breitmaulnashörner: Najin (1989) und ihre Tochter Fatu (2000). Beide leben im Ol Pejeta Conservancy in Kenia, unter 24-Stunden-Bewachung durch bewaffnete Ranger und moderne Überwachungstechnik.
Der letzte männliche Vertreter, Sudan, wurde 1973 im Sudan geboren und später im Zoo Dvůr Králové (Tschechien) gehalten. 2009 brachte man ihn nach Kenia, in der Hoffnung auf Nachwuchs. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Sudan starb am 19. März 2018 im Alter von 45 Jahren – sein Tod ging um die Welt und wurde zu einem Symbol für das Artensterben.
Najin ist zu alt für eine Schwangerschaft, Fatu leidet an Gebärmutterproblemen. Natürliche Fortpflanzung ist unmöglich.
🦏 Wusstest du schon…?
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Ein Nördliches Breitmaulnashorn kann bis zu 2,4 Tonnen wiegen.
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Trotz ihres Gewichts erreichen sie 40 km/h.
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Najin und Fatu stehen unter permanenter Bewachung – Tag und Nacht.
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Sudan galt als „der am meisten bewachte Bulle der Welt“.
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Nashörner gestalten durch ihr Weideverhalten Lebensräume für viele andere Tierarten.
Hightech-Artenrettung: Das Biorescue-Projekt
Das internationale Projekt Biorescue arbeitet daran, das Nördliche Breitmaulnashorn mithilfe modernster Reproduktionstechnologien zu retten:
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Eizellenentnahme bei Fatu unter Narkose.
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Künstliche Befruchtung mit eingefrorenem Sperma von Sudan und zwei weiteren verstorbenen Männchen.
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Embryokultivierung in einem Speziallabor in Italien.
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Tiefkühlkonservierung der Embryos in flüssigem Stickstoff.
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Embryotransfer in weibliche Südliche Breitmaulnashörner als Leihmütter.
Aktuell (2025) sind bereits über zwei Dutzend Embryos konserviert. Wenn ein Embryotransfer gelingt, könnte innerhalb weniger Jahre das erste Kalb dieser Unterart geboren werden – ein Meilenstein im Artenschutz.
Warum dieses Schicksal uns alle betrifft
Das Nördliche Breitmaulnashorn ist nicht nur ein Tier – es ist ein Symbol für die Folgen menschlichen Handelns. Sein fast vollständiges Verschwinden zeigt, wie schnell eine Art durch Wilderei und Lebensraumverlust ausgelöscht werden kann.
Gleichzeitig ist es ein Mahnmal dafür, dass engagierter Naturschutz, internationale Zusammenarbeit und wissenschaftlicher Fortschritt eine zweite Chance ermöglichen können.
Meine künstlerische Hommage
Als Künstlerin habe ich eine Bleistiftzeichnung des letzen männlichen Nördlichen Breitmaulnashorns Sudan (gestorben 2018) im Profil geschaffen. In der Großaufnahme habe ich jede Hautfalte, jede Kontur des Horns und den Ausdruck im Auge detailliert festgehalten.
Sudan – Work in Progress
Sudan – die fertige Zeichnung
Für mich zeigt dieser Blick sowohl die urzeitliche Kraft als auch die tiefe Verletzlichkeit dieser Tiere. Meine Zeichnung soll nicht nur ihre Schönheit zeigen, sondern auch ein Zeichen setzen – für den Schutz und Erhalt bedrohter Arten.
Wissenschaftliche Fachartikel & Reviews
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Annual Review of Animal Biosciences (2025):
Progress Toward Genetic Rescue of the Northern White Rhinoceros (Ceratotherium simum cottoni) – ein umfassender Überblick über den Stand der technologischen Rettungsversuche, von iPSC bis zum Embryotransfer annualreviews.org. -
Stem Cells Dev. (2021):
Rewinding Extinction … Induced Pluripotent Stem Cell Bank for Genetic Rescue – Bericht zur Establishment von iPS-Zelllinien aus NWR und SWR PMC. -
Genome Research (2018):
Evaluating Recovery Potential … from Cryopreserved Somatic Cells – Genanalysen zur genetischen Vielfalt der NWR und ihre Bedeutung für Erhaltungsstrategien PMC. -
Journal of Agricultural and Environmental Ethics (2024):
Ethics at the Edge of Extinction: Assisted Reproductive Technologies (ART) in the Conservation of the Northern White Rhino – ethische Perspektiven auf Hybridisierung, ART und Naturnähe SpringerLink. -
Oryx (Cambridge Core):
A Last Chance to Save the Northern White Rhinoceros? – Diskussion der Bedrohungslage, Bedeutung von Ex-situ-Konservierung und Schutzstrategien Cambridge University Press & Assessment -
The Guardian (2024):
Just two northern white rhinos remain. The species’ first IVF pregnancy could save them – Artikel über den ersten erfolgreichen Embryotransfer und die aktuelle Hoffnung auf die Wiedergeburt der Unterart Der Guardian. -
AP News (2024):
Bericht über den ersten Embryotransfer, bei dem das Embryo in einer südlichen Breitmaulnashörnin gefunden wurde – Zeichen einer Konzeptfunktion für zukünftige Transfers AP News. -
Offizielle Projekt-Updates
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Biorescue (Projektseite):
Nachricht über den Fortschritt bei der Embryoproduktion, Vorbereitung auf Leihmutterversuche und Transport von Sudans Samen nach Deutschland biorescue.org. -
Nachrichten aus 2025:
Das BioRescue-Team erhält einen renommierten Forschungspreis und berichtet über fünf weitere Embryos, die 2024 generiert wurden – ein bedeutender Meilenstein idw – Informationsdienst Wissenschaft.
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